Marktgemeinde Guntersdorf

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Guntersdorf in Hessen



von Rüdiger Störkel

Die kleine, seit 1971 zur Stadt Herborn gehörige Landgemeinde Guntersdorf liegt - geschützt im zerklüfteten, waldreichen Dillbergland - am Ostrand des Westerwaldes, zu Füßen von Hirschberg-Koppe (538 m ü. N.N.) und Steinringsberg (416 m. ü. N.N.). Der historische Siedlungskern besetzt eine Talaue am Unterlauf des im Hohen Westerwald entspringenden Rehbaches, eines Nebenlaufs der Dill.

Der Steinringsberg, ein erloschener Vulkan, dessen mit Säulenbasalt gefüllter Schlot inzwischen abgebaut ist, hat seinen Namen von einer vorgeschichtlichen Steinsetzung, die früher unweit des Gipfels zu sehen war. Trotz dieses stummen Zeugen vorgeschichtlicher Siedlung in der Nähe ist es bisher nicht gelungen, entsprechend alte Siedlungsspuren in Guntersdorf zu finden. Der Ortsname deutet vielmehr auf eine Entstehung im frühen Mittelalter, zur Zeit der fränkischen Besiedlung des Landstriches, die in mehreren Schüben erfolgte.

Politisch gehörte Guntersdorf damals zur Herborner Mark, die allerdings erst 1048 in einer Urkunde erwähnt wird, kirchlich zur Pfarrei Herborn, einer Großpfarrei, deren Sprengel ursprünglich auch den Hohen Westerwald umfasste. Man nimmt an, dass Mark und Pfarrei ursprünglich identische Grenzen hatten und die Organisationsform der Mark auf fränkische Initiativen zum Landesausbau zurückgeht, die lange vor 1048 einsetzten. Im alten Siedlungsbereich des Dilltals bestanden in Herborn ein Königshof und eine dem Patronat des Königs unterworfene Pfarrei sowie in unmittelbarer Nähe eine große Festungsanlage im heutigen Stadtteil Burg. Aus diesem Kernbereich wurde die Erschließung der Waldgebiete im Osten und Westen vorangetrieben.

Um 900 übte das mächtige Geschlecht der Konradiner die Grafenrechte an Lahn und Dill aus. Es stellte 911 bis 918 den König des Ostfränkischen Reiches. Der Ortsname Guntersdorf enthält zweifelsfrei einen Personennamen. Wer jener Gunter war, nach dem sich das Dorf seit dem frühen Mittelalter bis heute nennt und welche Beziehungen er zu den Mächtigen seiner Zeit unterhielt, wird jedoch unbekannt bleiben, weil die früheste bekannte urkundliche Überlieferung über den Ort erst im späten Mittelalter, nämlich 1337 einsetzt.
Diese Jahreszahl führt uns in die Epoche des Kampfes um die Landesherrschaft in der Herborner Mark. Die Grafen von Nassau, benannt nach ihrer Burg an der unteren Lahn, waren inzwischen als Grafen in der Herborner Mark der Landgrafen von Thüringen, danach von deren Erben, den Landgrafen von Hessen. Mit dem eingesessenen Adel gerieten sie in langwierige rechtliche und kriegerische Auseinandersetzungen. Für Guntersdorf bedeutete vermutlich die Konkurrenz zwischen den Grafen von Nassau und den Herren von Greifenstein um die Herrschaft im benachbarten Kirchspiel Driedorf für längere Zeit eine erhebliche Belastung, weil die Greifensteiner wichtige Grundherren im Dorf waren. Für die Einwohner stellte sich möglicherweise mehr als einmal die Frage, zu wem sie halten sollten, zum Grafen oder zum Grundherrn.

1337 war dies bereits Vergangenheit. Die Burgherren von Greifenstein hatten sich aus der Herborner Mark und überhaupt aus ihrem Stammgebiet zurückgezogen, ihr Besitz in Guntersdorf fiel damals an das Kloster Marienstatt.

Die Grafen von Nassau hatten schon vorher ihr Herrschaftsgebiet zweimal geteilt. Ab 1303 wurde dadurch Guntersdorf bis 1557 zu einer Grenzgemeinde, eine Lage, die ungemütlich wurde, als Nachbargemeinden nach 1369 an Herren fielen, die mit den Grafen von Nassau stritten. Ob das kleine Dorf das Schicksal erlitt, geplündert und niedergebrannt zu werden, ist unbekannt. Als greifbares Ergebnis der Fehdezeit erscheinen die noch lange unklaren Rechtsverhältnisse im Forst Hirschberg. Akten darüber beleuchten Zeitumstände, die auch Guntersdorf berührt haben müssen: Zwei grenznahe Siedlungen im Wald wurden verlassen. Als die Grafen von Nassau erneut Herren über die gesamte ehemalige Herborner Mark waren, die sich nunmehr in kleinere Gerichtsbezirke gliederte, kamen sie der zurückerworbenen Stadt Driedorf entgegen und regelten die Frage der Waldrechte im Forst Hirschberg zuungunsten des kleinen Guntersdorf. Eine Klage der entrüsteten Bauern beleuchtet die Bedeutung, die die Waldnutzung für sie hatte. Neben der Holzung waren es vor allem die Hutungsrechte, die man brauchte, d. h. das Recht Vieh zur Weide in den Wald zu treiben.
Der Streit zeigt beispielhaft die schicksalhafte Verknüpfung zwischen Landwirtschaft und Herrschaft, die für Guntersdorf wegen der Bedeutung des landesherrlichen Besitzes stets von Bedeutung blieb.

Der Ort war bis weit in das 19. Jahrhundert hinein ausschließlich von der Landwirtschaft geprägt. Wie überall in Nassau ging das bäuerliche Erbrecht von der Gleichberechtigung der ehelichen Kinder aus. Daher wurde der Landbesitz bei jedem Erbfall zwischen Söhnen und Töchtern gleich geteilt. Die Zunahme der Bevölkerung führte zu einer Besitzzersplitterung, die schließlich eine große Mehrheit von kümmerlichen Betrieben, die nur noch mit Kühen ackern konnten, einer kleinen Minderheit von Vollbauern gegenüber stellte.
Über eigene Bodenschätze verfügt die Gemarkung nicht. Ein Zuerwerb im Eisenerzbergbau, wie er in der Region öfter vorkam, war nicht möglich. Der Rehbach bot sichzur Wasserkraftnutzung an. Um 1570 wurde hier die erste Mahlmühle errichtet, 1692 eine zweite. Im 18. Jahrhundert kam noch eine Sägemühle hinzu. Die beiden Mahlmühlen überlebten bis in das 20. Jahrhundert. 1930 wurde Guntersdorf Sitz der Zentrale der Kraftwerkskette "Rehbachtal", die bis heute der Elektrizitätserzeugung mit Wasserkraft dient. Das Wasser des Rehbachs verrichtet auf einer Länge von 17 Kilometern bei einem Gefälle von insgesamt 321 Metern an fünf Staustufen Arbeit in den Turbinen. Die Talsperren, Speicher- und Ausgleichsbecken der Anlage und der Wasserturm über Merkenbach sind landschaftsprägende Bauwerke.
Mühlen und Kraftwerke hatten nur wenige Arbeitsplätze zu bieten. Für die Guntersdorfer bedeutete daher der Aufschwung der Eisenindustrie im Dilltal seit den letzten Jahrzehnten des 19. Jahrhunderts erstmalig ein Angebot an gewerblicher Beschäftigung.
Allerdings mussten sie, da es noch keinen Bahnanschluss gab, zu Fuß die neuen Arbeitsstätten aufsuchen.

Da die Landwirtschaft weitergeführt werden musste, weil die Öfen- und Herdeindustrie öfter Betriebseinschränkungen erlebte, bedeutete dieses Pendlerdasein ein sehr hartes Leben. Es erstaunt daher nicht, dass sich die Arbeitnehmer neu orientierten, als nach der Fertigstellung der Westerwaldquerbahn von Herborn aus seit 1906 die Basaltvorkommen der Umgebung schwunghaft abgebaut wurden. Der Beruf des Hüttenarbeiters verschwand damals in Guntersdorf fast ganz und wurde durch den des Steinbrucharbeiters ersetzt.
Seit 1918 siedelte sich neben der Steinbruchindustrie auch Metallindustrie in der Nähe, seit 1985 auch in Guntersdorf selbst an. Das Ortsbild von Guntersdorf spiegelt diese Wirtschaftsgeschichte. Im Kern findet man einen geschlossenen Bestand ländlicher Wohn- und Wirtschaftsbauten, deren Fachwerk z. T. verputzt oder verschiefert ist. In den Neubaugebieten findet man die für unsere Zeit typischen Eigenheimanlagen.
Die Geschichte von Guntersdorf ist, zum Glück für seine Einwohner, eher arm an spektakulären Ereignissen. Trotzdem fehlten Not durch Missernten, Kriege und Massenhysterie nicht.
Der Hexenwahn forderte im Dreißigjährigen Krieg auch hier seine Opfer, als 1630 zwei Witwen wegen angeblicher Hexerei zum Tode verurteilt wurden. Von den Kriegsereignissen blieben französische Plünderungen zur Zeit der Französischen Revolutionskriege im Gedächtnis des Dorfes. Die Hirschberg Koppe soll damals als Zuflucht für Mensch und Vieh gedient haben.
Das Kriegsende 1945 brachte Guntersdorf in große Gefahr, als es im Zuge des erfolgreichen Vorstoßes der Amerikaner auf den Verkehrsknotenpunkt Herborn zu einem Gefecht zwischen Truppen der 1. US-Armee und versprengten Wehrmachtskräften in der Umgebung kam.
Die politische Geschichte weist keine Besonderheiten auf. Guntersdorf war eine Landgemeinde, die nach der alten nassauischen Gemeindeverfassung dem Herborner Schultheissen unterstand und viele Angelegenheiten durch Beschlüsse der Gemeindeversammlung selbst regeln konnte. Diese Autonomie der kleinen Gemeinde blieb, trotz aller Verfassungsänderungen des 19. und 20. Jahrhunderts, mit Ausnahme der Episode der zentralistischen napoleonischen Gemeindeverfassung 1809 - 1813 und der autoritären Gleichschaltung während der Hitler-Diktatur 1933 - 1945, bis zur freiwilligen Eingliederung Guntersdorfs in die Stadt Herborn 1971 maßgeblich. So sind die Geschichte von Kirche und Schule vor Ort durch einmütige Beschlussfassungender politischen Gemeinde geprägt.
1630 erreichte man die Lösung aus dem Kirchspiel Herborn und die Einpfarrung in das benachbarte Schönbach. Dadurch wurde der Kirchweg endlich bedeutend kürzer. Eine eigene Kapelle hatte das Dorf schon im ausgehenden Mittelalter, sie war dem Pilgerheiligen Jakob geweiht. Das kleine Gotteshaus verfiel jedoch und wurde 1533 abgebrochen. Die nächste Kapelle ist 1591 bezeugt und wurde 1685 durch das heute noch bestehende ortsbildprägende Fachwerkgebäude ersetzt.

Die Nutzung der Kapelle und die Gestaltung ihres Innenraumes hingen von der konfessionellen Zugehörigkeit der Gemeinde ab. Guntersdorf wechselte im 16. Jahrhundert zweimal die Konfession. Um 1530 wurde das lutherische Bekenntnis eingeführt, um 1580 das calvinische, reformierte. Die reformierte Konfession prägt den Innenraum der Kapelle bis heute, er wird von der Kanzel beherrscht, denn die Predigt als Verkündigung und Auslegung der Heiligen Schrift ist Kern des reformierten Gottesdienstes.
Seit 1817 sind in Nassau die reformierte und die lutherische Konfession vereinigt. Guntersdorf bildet seit 1956 zusammen mit Hörbach und Hirschberg eine eigene Kirchengemeinde. Während so die Kirche "im Dorf" blieb, ging mit dem Schuljahr 1968/69 die eigenständige Schulgeschichte von Guntersdorf zu Ende. Die Schule in Guntersdorf war stets eine kleine, einklassige Einrichtung. Sie bestand schon vor 1615 als Teil der reformierten Bildungsinitiative. Über die älteren Schulhäuser ist wenig bekannt. Erhalten blieben jene von 1835, heute Feuerwehrhaus, und der markante Bau von 1926/27, heute als Bürgerhaus Schauplatz vieler Veranstaltungen.
Wie in den Nachbargemeinden erhielt das kulturelle Leben Guntersdorfs seit der Mitte des 19. Jahrhunderts starke und nachhaltige Impulse durch das Aufblühen des Vereinswesens. Ältester Verein ist der heute noch aktive Gesangsverein "Liederkranz" von 1864. Der Verein der Freiwilligen Feuerwehr besteht seit 1910. Die in unserem Raum kulturpolitisch wichtigen Landfrauenvereine fanden auch in Guntersdorf Unterstützung, der hiesige Ortsverein wurde 1954 gegründet.

Vierzig Jahre nach den ersten Anfängen gelang endlich in den 1960er Jahren die dauerhafte Gründung eines Sportvereins. Der Naturschutzgedanke fand früh Eingang im Dorf. Schon 1961 gründete sich eine Vogelschutzgruppe, der heutige Natur- und Vogelschutzverein.
Als örtliches Brauchtum hielt sich in Guntersdorf lange der "Wandertag": Am ersten Werktag nach Weihnachten zogen junge Männer verkleidet durch das Dorf. Einer wurde vollständig mit Strohwischen vermummt als "Struubäär" mitgeführt. Zweck des Mummenschanzes war es, in den Häusern Essbares zu sammeln und anschließend unter großem Hallo einen Schmaus zu halten. Der Name "Wandertag" stammt von dem Gesindebrauch, die Dienstherrschaft "zwischen den Jahren" zu wechseln.
Knechte und Mägde zogen dann mit ihrem schmalen Bündel um, daraus mag sich der lustige Umzug entwickelt haben..
Die Partnerschaft zwischen Guntersdorf/BRD und Guntersdorf/Österreich Eigentlich ist die Partnerschaft das "Kind" eines Gemeindevertreters und seiner Gattin, der Posthalterin, beide aus Guntersdorf in Hessen. In den 1960er Jahren kamen öfters Briefe und Karten aus der damaligen Tschechoslowakei nach Guntersdorf in Hessen mit der Bestimmungsortsangabe "Guntersdorf an der Nord-West-Bahn" (heute A-2042 Guntersdorf). Besagte Posthalterin erzählte dies ihrem Mann, welcher diese Vorkommnisse wiederum bei einer Gemeindevertretersitzung weitergab. Nachdem in gewissen Abständen immer wieder Postsendungen eingingen und in dieser Zeit der Abschluss von Partnerschaften in Mode kam, entschloss man sich die Gemeinde in Niederösterreich anzuschreiben. Dies geschah 1970. Im Januar 1971 fuhren dann die Hessen zum ersten Besuch nach Österreich, welcher im Sommer des gleichen Jahres erwidert wurde. Damit war's passiert.
Was wäre geschehen, wenn die Posthalterin ihrem Mann das "Postgeheimnis" nicht verraten hätte? Wahrscheinlich hätten die hessischen Guntersdorfer den guten Wein und die lieben Menschen aus dem Weinviertel in Niederösterreich nie kennen gelernt.

Überwältigt von der Gastfreundschaft und der gegenseitigen Sympathie, die man bei dem Besuch in Österreich erlebte, luden die hessischen Guntersdorfer ihre Gastgeber zu einem Gegenbesuch ein. Der Erfolg dieses Treffens war so groß, dass eine Gemeindepartnerschaft vereinbart wurde. Tragenden Anteil daran hatten Bürgermeister Franz Gruber aus dem österreichischen Guntersdorf und Bürgermeister Oskar Spaether aus dem hessischen, die leider beide nicht mehr leben. Die Stadt Herborn, zu der Guntersdorf seit Herbst 1971 als Stadtteil gehört, hat diese Partnerschaft auch zu ihrer Sache gemacht und steht dazu bis heute.
Besonders und zu Recht stolz sind die Guntersdorfer darauf, die Gäste aus der Partnergemeinde bei deren Besuchen stets privat unterbringen zu können. "Zwangsläufig" entstanden dadurch viele Freundschaften, die teilweise seit den Anfängen der Partnerschaft Bestand haben. Befürchtungen, es könne im Laufe der Jahre ein Generationsproblem entstehen, haben sich glücklicherweise nicht bewahrheitet.
Heute nehmen ca. 70 Personen aus dem hessischen Guntersdorf aktiv an der Partnerschaft teil. Als besonders positiv kann das Zustandekommen einer Ehe gewertet werden, die vor 23 Jahren geschlossen wurde und aus der zwei Söhne hervorgingen. Großer Beliebtheit erfreut sich vor allem der hervorragende österreichische Wein, der mittlerweile bei jedem Fest im deutschen Guntersdorf mit angeboten wird. Umgekehrt haben unsere österreichischen Freunde die Vorzüge des Herborner Bieres kennen und schätzen gelernt.
Jährliche gegenseitige Besuche sorgen dafür, dass die Partnerschaft am Leben erhalten und die Freundschaft zwischen unseren Gemeinden ständig vertieft wird. Erfreulicherweise nimmt mittlerweile bereits die dritte Generation am Partnerschaftsleben teil und auch für die Zukunft haben sich mehrere junge Paare gefunden, adäquate Partner aus Guntersdorf/Niederösterreich übernehmen zu wollen, sodass die Partnerschaft
auch auf lange Sicht gesichert ist. Uneingeschränkt unterstützt wird unsere Partnerschaft durch die Stadt Herborn und Herrn Bürgermeister Hans Benner, der selbst schon einige Male in unserer Partnergemeinde geweilt hatte.


Blick auf Guntersdorf in Hessen (BRD)
Blick auf Guntersdorf in Hessen (BRD)
(Foto: Gemeinde Herborn)